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    Mit Interrail nach Portugal – eine Reise durch Europa und zu mir

     

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    Es war ein heißer Sommersonntag, als ich aus dem ersten Zug meiner Interrail Reise ausstieg. Die nächsten Wochen durfte ich mit dem Interrail Global-Pass der Deutschen Bahn unterwegs sein.

    Tatsächlich war ich noch nicht so aufgeregt, wie ich es bei den nächsten Stopps sein würde. Meine Reise begann in Basel. Eine Stadt, die durch Familie und meine Kindheit ein Stück Heimat für mich geworden ist. Eine Stadt am Rhein, die man definitiv nicht unterschätzen sollte. 

    Ich liebe das Gefühl, das dort neben dem Duft nach frischen Esskastanien, durch die Luft schwebt. Junge Leute, süße Häuser, Cafés am Rhein und im Sommer kann man in diesem sogar schwimmen gehen. 

    Der erste Stopp war für mich also familiär. Wortwörtlich. Nach einer kleinen Bade- und Sonneneinheit mit meiner Schwester ging es zu meinem Bruder. Wir haben zusammen das leckerste, vegane Grilldinner genossen, dass ich seit einer langen Zeit hatte. 

    Reisefieber

    Die Aufregung kam dann über Nacht. Auf einmal war ich nervös, allein mit dem Zug durch Europa bis nach Portugal zu reisen, doch gleichzeitig auch so aufgeregt. 

    Was aber noch wichtiger ist und mir in den letzten zwei Jahren ohne große Reisen verloren gegangen ist: diese Aufregung gehört zu einer Reise dazu. Sie macht das von Ort zu Ort ziehen und die Wege dazwischen zum Abenteuer. Ich habe nur vergessen, dass sie mich nicht nur vor Unireferaten warnt, sondern mich eben auch auf richtig großartige Sachen aufmerksam macht.

    Der erste Montag einer Reise

    Ich verabschiedete also meine Familie und startete in den Montag, der nicht nur den Beginn einer neuen Woche einleitete, sondern auch den Beginn eines neuen Abenteuers. Mein Weg nach Portugal verschlug mich zuallererst nach Italien, so komisch das klingen mag. Es führen eben viele Wege zu den Zielen, die wir uns setzten. Und mein Ziel war Portugal.

    Im Zug nach Pisa lernte ich eine Bibliothekarin kennen und unterhielt mich mit ihr über ihre Studienzeit, Bücher und die Zugreisen, die wir beide so lieben. Unsere Namen haben wir uns nie verraten, aber irgendwie ist es manchmal auch schön so kurzweilige, und trotzdem nicht oberflächliche Gespräche zu führen. Aus meinen Erfahrungen heraus funktioniert das besonders auf Zugreisen gut. Ich würde wahrscheinlich nicht mal ihr Gesicht wieder erkennen. In meinen Erinnerungen ist es bereits so verschwommen, wie die Gesichter von Menschen, die in einem Zug sitzen, der an mir vorbeizieht. Doch ihre Geschichten und ihre Ruhe habe ich im Herzen, in meinem Reisetagebuch und jetzt auch hier gespeichert. 

    Pisa

    Pisa habe ich tatsächlich maßlos unterschätzt. Alles was ich vorher über diese italienische Stadt wusste, war die Existenz des schiefen Turms. Doch Pisa war einer dieser Orte, an denen man aussteigt und sich schon am Bahnhof wohlfühlt. Vielleicht liegt es auch am Zauber aller Anfänge, dass diese Stadt mich so in ihren Bann zog. Am Fluss, durch die kleinen Straßen mit den schönen Altbauten und Kirchen schlendernd, das beste Eis Italiens essend, verlor ich dort jedenfalls einen Teil meines Herzens - auf die gute Art & Weise, nicht auf die Schmerzende. (Die Eisdiele mit dem ausgezeichneten Eis heißt Gelateria De’Coltelli.) Außerdem ist der Botanische Garten in Pisa einer der ältesten der Welt und definitiv einen Besuch wert. 

    Unterkünfte

    Weil es viele Nachfragen zu meinen Übernachtungen & Planungen allgemein gab, hier mal alle Informationen gebündelt dazu. Ich bin in den Zug in Hamburg eingestiegen und wusste nur, dass ich die erste Nacht bei meinem Bruder unterkommen konnte und meine grobe Strecke nach Portugal war geplant. Alles andere ergab sich auf der Reise und buchte ich relativ spontan. Ich war im Juni unterwegs und weiß natürlich nicht, wie sich das im Juli & August saisonal entwickelt. Für mich hat es gut funktioniert immer so 2-3 Tage vorher und im Notfall am gleichen Tag noch eine Unterkunft zu finden. Dafür habe ich Hostelworld, Airbnb, Booking und Couchsurfing genutzt. Wenn ihr mit Interrail auf Reisen seid, könnt ihr vielleicht auch mal eine Reise mit dem Nachtzug einplanen. Dann braucht ihr keine Unterkunft, sondern wacht am nächsten Morgen einfach in einer neuen Stadt auf. 

    Zu Couchsurfing mache ich vielleicht mal einen extra Eintrag hier oder auf Instagram, weil es auch dazu viele Fragen gibt und das hier den Rahmen sprengen würde und es gar nicht darum gehen soll. Es lässt sich nur sagen: vertraue deinem Bauchgefühl und es geht bei der Plattform nicht um die gratis Schlafgelegenheit, sondern um die Freude neue Menschen kennenzulernen und mit den Hosts Zeit zu verbringen.

    Genova und die Cinque Terre

    Nach zwei Tagen in Pisa zog es mich weiter in Richtung Genova. Auf dem Weg dorthin konnte ich mir die Cinque Terre nicht entgehen lassen. Ich konnte sogar eine Wanderung von Vernazza nach Monterosso mit einplanen, sowie Klippenspringen in Manarola. Beides sehr empfehlenswert. Am Abend kam ich dann mit dem Regionalzug in Genova an, wo ich leider nur die Nacht verbrachte, aber das Gefühl hatte, dort irgendwann nochmal mehr Zeit zu verbringen. Aber so ist das Reisen und Leben auch manchmal. Weiterziehen zu müssen, obwohl man noch gar nicht alles gemacht oder erlebt hat, was möglich gewesen wäre. Und darauf zu vertrauen, dass es jetzt grade so richtig ist. 

    Ich denke, da kommt dann neben dem Gefühl der Aufregung, das zweite wichtige Ding des Reisens ins Spiel: Vertrauen. Darin, dass alles irgendwie funktioniert. Dass sich neue Wege ergeben, wenn sich andere versperren. Vertrauen ins „immer irgendwo ankommen“. Der nächste Tag kommt und dann geht das Abenteuer weiter. Damit möchte ich vor allem die Illusion nehmen, dass beim Reisen immer alles glatt läuft. Jeder Tag auf Reisen ist anders. Es wird nie langweilig. Manchmal erlebt man Tage, die schöner sind als jeder Traum und manchmal ist der Tag auch eben mal nicht so gut. Das geht ja auch gar nicht. Besonders beim Reisen habe ich gelernt stolz auf mich zu sein, wenn ich einen von den anstrengenderen Tagen dann doch bewältigt habe und irgendwo angekommen bin. 

    Marseille

    Der Tag in Marseille war einer dieser Aufenthalte. Von Genova nach Marseille traf ich im Zug einen Mann, der mir so liebevoll von seinen Kindern, die er gleich in Nizza zum Eis essen traf, erzählte, dass ich dort am liebsten mitausgestiegen wäre. Aber ich hatte mir Marseille in den Kopf gesetzt. So blieb ich also sitzen und genoss die atemberaubende Aussicht aus dem Zug, der durchgängig an der südfranzösischen Küste entlangfuhr und die abwechselnd aus Tunneln und ihrer Dunkelheit und dann wieder aus goldenen Stränden und Küstenorten bestand. 

    Marseille war riesig, laut und aufregend. Die falsche Stadt für mich in diesem Moment und das ist auch völlig okay. Der Vorteil des Interrail Global-Passes ist,  dass man nicht ortsgebunden ist und nach Lust und Laune einfach in den nächsten Zug steigt und zum nächsten Ort fahren kann. Der Zug fuhr bei mir morgens um acht in Richtung Montpellier.

    Montpellier

    Das Gute an so kleinen Enttäuschungen zwischendrin ist, dass man danach oft doppelt so begeistert vom nächsten schönen Ort ist. Montpellier und seine mit bunten Fähnchen geschmückte Innenstadt war nach einer kurzen Nacht in Marseille wie eine warme Umarmung. Perfekt um sich Treiben zu lassen, Bummeln zu gehen, im Café zu lernen und Leuten beim Leben zuzuschauen. Diese charmante südfranzösische Stadt liebte ich tatsächlich so sehr, dass ich ihr auf dem Rückweg meiner Reise nochmal einen Besuch abstattete. 

    Barcelona

    Ganz beseelt von der Ruhe, die diese Stadt auf mich ausstrahlte, fuhr ich dann nach Barcelona. Diese Metropole ist kein Geheimtipp mehr und ich könnte sowieso nicht viel erzählen, weil es mich dort erstmal erwischte und ich einige Tage aussetzten musste. Das war nicht schön, gab mir aber die Möglichkeit, den ersten Teil meiner Reise zu reflektieren und zu sehen, was in so kurzer Zeit alles möglich gewesen war. Das was mich eine Woche zuvor in Basel nervös gemacht hatte, war nun mein Leben für den Moment und es fühlte sich genau richtig an. 

    Ich fühlte das, was eine Interrail Reise ausmachen sollte: Freiheit, Freundschaft und Abenteuer.  

    Sevilla

    Als ich wieder fit war, ging es nach Sevilla, wo mich besonders die Plaza de España verzauberte. Auch hier fühlte ich mich sehr wohl und konnte nicht ansatzweise all die Schönheit dieser Stadt an einem Tag bewundern. Die Zeit, die mir gegeben war, reichte zum Tapas essen bei Sonnenuntergang und spanischen Gesprächen am Nebentisch lauschen. Gespräche, von denen ich mit meinem eingerosteten Schulspanisch nur noch einzelne Schlagworte verstand und, dass die beiden Personen, denen ich zuhören konnte, sich gegenseitig ziemlich viel zustimmten („Vale“ = okay). Irgendwie auch schön. 

    Lissabon

    Von Sevilla über Merida, Badajoz und Entroncamento nahm ich dann mehrere Züge an einem Tag, um nach Lissabon zu kommen. Am Morgen dachte ich mir noch, das hätte ich etwas entspannter planen können, aber als ich dann im Zug auf zwei Mädels traf, die auch mit Interrail unterwegs waren freute ich mich das der Zufall uns so zusammenbrachte. Wir freundeten uns also an. Spielten Uno, Stadt, Land, Fluss und Dobble. Wir lachten viel und erzählten uns von gesammelten Reiserfahrungen, Dingen, die wir taten oder tun wollten und Freund*innen, die wir vermissten. Und so war am Ende des langen Reisetages die Erschöpfung groß, aber nicht wegen der langen Strecke, sondern vor lauter Lachen und Erzählen. Man weiß eben nie, wer oder was auf einen wartet, wenn man sich in den nächsten Zug setzt. 


    Dazu kam von euch oft die Frage, wie ich Leute auf Reisen kennen lerne. Ich bin tatsächlich ein sehr offener und teilweise eher extrovertierter Mensch, daher fällt es mir leicht, auf Menschen, die auf mich eine angenehme Ausstrahlung haben, zuzugehen. Für alle introvertierteren Menschen: Macht euch keine Sorgen, vor allem beim Alleinreisen strahlt man glaube ich sowas besonderes aus, dass man oft angesprochen wird. Ihr müsst also nicht immer den ersten Schritt machen, nur offen dafür sein, neue Leute kennenzulernen, wenn sie euch anquatschen. 

    Folgende Situationen, in denen ich bisher Menschen kennen gelernt habe: Hostel-Küchen (das ist DER Hotspot), im Zug (z.B. durch „Hey kannst du mal kurz auf meine Sachen aufpassen?“), Bumble Friends, gebuchte Ausflüge oder eben auch durch das Couchsurfing.


    Als ich am Freitagabend jedenfalls in Lissabon ankam, war ich also müde und sehr hungrig. Zum Glück raffte ich mich aus dem Hotelbett nochmal auf und ging zum Ao26 . Dort hatte ich ungelogen das beste vegane Essen meines Lebens. Für euren nächsten Lissabon-Besuch solltet ihr euch das also vormerken. Ansonsten habe ich noch den Timeout Market besucht, den ich etwas überfüllt, überteuert und schwierig für Veganer*innen fand. Im Gegenteil dazu stand für mich aber die LX Factory. Die war richtig cool und inspirierte mich sehr. Außerdem unternahm ich mit den Mädels, die ich im Zug kennen gelernt hatte, noch einen Tagesausflug mit dem Zug nach Sintra und wir wanderten gemeinsam zum Palácio Nacional de Pena, wo wir mit einer beeindruckenden Aussicht und den bunten Farben der Burg beschenkt wurden. Wenn ihr die Zeit habt, würde ich euch Sintra wirklich empfehlen! 

    Porto

    Zwischen Lissabon und Porto liegen ungefähr 2,5h Zugfahrt. Für mich lag am Sonntag dazwischen aber vor allem die Entscheidung, ob ich noch länger in Lissabon bleiben wollte, um noch mehr von dieser schönen Hauptstadt aufsaugen zu können oder ob ich noch für 1,5 Tage nach Porto reisen soll. Da ich für Lissabon am gleichen Tag tatsächlich keine bezahlb

    are und schöne Unterkunft mehr für mich fand, allerdings online in Porto eine süße Unterkunft sah, entschied sich meine Reiseroute dieses Mal mehr oder we

    niger auf dem Weg. Und ich bin so dankbar dafür. Als ich dann mit dem Zug bei Sonnenuntergang über eine der Brücken Portos fuhr, wusste ich: hier war ich genau richtig. 

    Porto traf mich unerwartet und mitten ins Herz. Die Leute, die Stadt, das Meer, die Sonnenuntergänge, das Essen. Es passte in diesen 40h Stunden, die ich dort hatte, einfach alles. Am Morgen nahm ich spontan meine erste Surfstunde in Porto und nachmittags ging ich zu einer Free Walking Tour, die superspannend und ausführlich war. Dieser eine Tag fühlte sich an, wie mehrere, ohne danach zu ausgelaugt zu sein.

    Am Abend saß ich wieder im „Jardim do Morro“, um der Sonne beim Untergehen zuzusehen. Diesmal nicht allein, sondern mit zwei Menschen, die ich zum einen beim Surfen und zum anderen bei der Free Walking Tour kennen gelernt hatte. Wir saßen dort gemeinsam, drei Alleinreisende und doch nicht allein. Und als die Menschen beim Sonnenuntergang anfingen zu Klatschen, stimmten wir mit ein. Alle gemeinsam. Klatschend in dem Gefühl von Verbundenheit und Dankbarkeit für diesen Tag bis der Applaus abebbte. Klatschend in dem Gefühl alles rivhtig gemacht zu haben, als ich vor 14 Tagen die Interrail Reise angetreten bin.

    Madrid

    Der nächste Stopp meiner Reise war Madrid und zeichnet sich wieder mal durch einen Menschen aus und nicht alleinig durch den Ort an sich. Dort traf ich eine Followerin zum Frühstücken und obwohl wir uns vorher nie gesehen hatten, war es, als würde man eine alte Freundin wiedersehen. Wir redeten so lange, dass ich fast meinen Zug nach Montpellier verpasste. Am Ende bekam ich diesen Zug aber doch noch und konnte sogar noch einen spanischen Gedichtband aus dem Buchladen „Desperate Literature“ mitnehmen. Wie bereits am Anfang dieses Eintrags bzw. dieses Weges erwähnt, stieg ich in Montpellier nochmal aus dem Zug aus. So viel Flexibilität hat man wirklich nur mit einem Interrail Global-Pass. Ich freute mich über all die tollen Eindrücke und Orte, die mir jetzt schon vertraut sein würden, wenn ich eines Tages zurückkehre.

    Paris

    Am Morgen darauf verließ ich mit Croissants im Gepäck diese wundervolle Stadt und machte mich auf den Weg nach Paris, wo ich mich nach drei Wochen Reisen mit meinem Freund traf. Die Stadt der Liebe war es diesmal für mich aber auch nur weil meine Liebe dort eben schon auf mich wartete. Ansonsten war Paris sehr überfüllt, laut und eine Stadt, die ich auf meinem nächsten Interrail-Trip lieber durch eine kleinere ersetzen werde. 

    Ich habe also vor allem die Städte geliebt, die noch gar nicht so bekannt und vor allem nicht zu groß sind. Ich brauche etwas verträumtes, wenn ich allein mit dem Zug reise. So pathetisch es auch klingen mag und so oft es auch ironisch genutzt wird: beim Reisen möchte ich mich (wieder)finden. Und das funktioniert für mich am besten in der Natur, mit Ruhe und indem ich das Leben in vollen Zügen genieße. Indem ich mir Zeit nehme und nicht schon vorher alles bis ins Detail plane, sondern auch bereit bin, für die eigentlichen Pläne des Lebens. Es kommt halt oft anders als man denkt und meistens besser, als man es selbst hätte planen können. 


    Dieser Eintrag ist ein kurzer Zusammenschnitt meiner Reise, die unfassbar gutgetan hat. Falls ihr noch Fragen habt, stellt sie gerne hier und ich versuche bestmöglich auf alles einzugehen. Auf Instagram findet ihr in meinen Highlights auch mein Interrail Highlight und in meinen letzten Posts auch noch einiges an Infos zu meinen Favoriten der Reise. Und falls ihr nach einem Beitrag sucht, der euch noch mehr Geheimtipps und Ausflugsideen mitgibt, ist der Blogpost von Reisevernguegen  genau der Richtige und hier verlinkt.

    Ich hoffe ich konnte etwas Interrail-Reiselust in euch wecken und gleichzeitig den Mut mitgeben loszuziehen. Mit Freund*innen oder auch allein. Du wirst schnell merken, dass man bei einer Interrail-Reise sowieso nie so ganz allein ist, denn da sind so Viele mit dir auf dem gleichen Weg. Jedenfalls für den Moment einer Zugfahrt. Das ist die Schönheit des Ganzen. Lass sie nicht an dir vorbeiziehen. 

    Wenn ihr jetzt auch Lust habt, eine Interrail Reise zu unternehmen, schaut euch die Seite der Deutschen Bahn hier an.

  • Übers Leben, übers Studieren, Vom Reisen

    5 Jahre Leben oder auf der Suche nach dem „richtigen“ Weg

    Ich bin auf dem Weg. Wortwörtlich. Denn während ich diese ersten Sätze in das Word Dokument tippe, in das ich so lange nichts außer Uniabgaben getippt habe, sitze ich im Zug nach Porto. 

    Ich bin also auf dem Weg in eine weitere unbekannte Stadt. An diesem Punkt saß ich die letzten Wochen öfter als sonst. Manchmal voller Vorfreude, manchmal etwas aufgeregt, weil ich nicht wusste, was kommt. 

    Es ist schön, wenn man die Ähnlichkeiten des Lebens mit dem Backpacken sehen will und kann. Das nie so ganz Ankommen und gleichzeitig, schon am Bahnhof wohlfühlen, wenn Ort und Menschen passen. 

    Das nicht wissen was kommt. Und es beim Reisen irgendwie mögen.

    Das Anreisen erst als Mittel zum Zweck sehen und irgendwann merken, dass das schon zur Reise gehört. Mehr als alles andere. Vor allem, wenn man längere Strecken vor sich hat. Strecken, die mit vertrauten Gesprächen mit anfangs Fremden enden. Strecken, die sich anfühlen, wie diese Jahre ab 18. Beängstigend, weil man keinen einzigen Stop kennt und dort auch selten jemand auf dich wartet und gleichzeitig so aufregend.

    So bin ich also auf dem Weg seit 21 Jahren. Und seit 5 Jahren habe ich auf diesem Blog nichts mehr geteilt. So ungefähr die Jahre, in denen so viel passiert ist, dass es nicht möglich ist das in einem Blogpost zusammenzufassen. Ich schreibe so gerne und vielleicht gibt es ja ein paar Menschen, die gerne lesen und denen es hilft, wenn ich über Wege schreibe, die ich ausprobiert habe. Ausprobiert und für gut erkannt, für schrecklich und für ganz okay. Und dabei ist wohl das Wichtigste immer im Hinterkopf zu behalten, dass viele Wege an viele Orte führen und mein Glück nicht deines bedeuten muss und andersherum. 


    Strecke 1: 2017-2018

    Diese Tour kann ich relativ kurzhalten, weil mein Gedächtnis einfach nicht so gut ist und ich aus der Zeit mit 16/17 nicht mehr alles im Detail erinnere und nichts verfälschen will. Ich weiß nur, dass ich mich langsam von einem essgestörten Verhalten erholte und dass das vor allem funktionierte, indem ich viel an meinen Glaubenssätzen gearbeitet habe. An meiner Sicht auf Schönheit und ihrer Wichtigkeit und meinem Verhältnis zum Sport. In diesen Jahren bin ich vegetarisch geworden, weil ich mein Social Media nicht mehr mit Fitness Models füllte, sondern mit Menschen, die aufklärten und über wichtige Themen sprachen. Und ich habe angefangen Sport zu machen, weil er mir Spaß macht und ihn nicht mehr als Waffe gegen einen vermeintlich nicht richtigen Körper zu nutzen.

    Nachdem ich dann noch einige Dokus geschaut habe wurde aus dem vegetarisch-Label schnell ein vegan und dahinter stehe ich auch noch nach 4 Jahren. Trotzdem habe ich aus meiner restriktiven Essphase für mich gelernt, dass ich nicht mehr mit Verboten arbeiten möchte, was das Essen angeht. Deshalb gibt es in meiner Ernährung über das Jahr verteilt immer mal ein paar vegetarische Ausnahmen, wenn es nicht anders geht, leichter ist oder ja – ich auch einfach mal Bock drauf hab (was tatsächlich nur selten passiert).

    Das Jahr 2018 endete also mit einer veganen Hannah, die sich seit diesem Jahr noch mehr Sorgen machte als sonst. Jetzt aber nicht mehr nur um sich und ihre Freund*innen & Familie, sondern auch um den Planeten und all die unschuldigen Tiere, die täglich unnötig auf unsren Tellern landen. 

    Das ich auch vier Jahre später noch auf diesem Weg gehe und zwar gesund & meist glücklich spricht wohl dafür, dass ich das Gefühl habe, wenigstens in diesem Punkt den richtigen Weg gefunden zu haben. Ich würde ihn weiterempfehlen :). Und dabei gibt es ja so viele kleine Schritte mit denen man hier anfangen kann. Etwas das ich nämlich immer wieder lerne:
    wenn wir uns gegenseitig und selbst weniger unter Druck setzten, dann macht das Ganze viel mehr Spaß und geht schneller von selbst.


    Strecke 2: 2018-2019

    In diesen Jahren bin ich 18 geworden und habe auf diese große Veränderung gewartet. Dieses plötzlich Aufwachen, erwachsen fühlen und wissen was man will. Dieses Aufwachen gab es bei mir übrigens bis heute nicht so, wie ich mir das lange vorgestellt und auch ein bisschen erhofft habe.

    Diese großen Veränderungen kommen dann aber doch, und zwar manchmal so, dass man sie fast verpasst, wenn man nicht drauf achtet. 2019 habe ich mein Abi gemacht und da war es plötzlich vorbei mit der Schule. Das was mein kurzes Leben bisher zum größten Teil gefüllt, strukturiert und bestimmt hat war plötzlich weg. 

    Weil ich wie gesagt noch nicht aufgewacht war mit dem Wissen was ich jetzt mache, wo die Schule das nicht mehr festlegte, plante ich ein Auslandsjahr. Und so arbeitete ich den Sommer über, so wie die Sommer zuvor auch. Sah Freund*innen in neue Städte ziehen mit Plänen für ein Leben das nicht mir gehörte und verpasste es irgendwie mich so richtig zu verabschieden von diesem Teil meines Lebens. Wie auch immer ein richtiger Abschied aussehen mag. Jednefalls war es wie auf Reisen, wenn man plötzlich im nächsten Zug/Transportmittel sitzt und merkt man lässt einen Teil von sich an diesem Ort, in dieser Zeit.

    Ende 2019 saß ich dann also im Flugzeug nach Neuseeland. Mit nicht viel Plan, aber ganz viel Neugierde. Ich bin mit einer Freundin zusammen hingeflogen und gemeinsam haben wir die ersten 2 Monate erlebt. Ich habe das erste Mal in meinem Leben ein Auto/Van gekauft und darin gelebt. Manchmal wünschte ich, ich hätte in Neuseeland gebloggt, damit die Tipps auch für euch etwas zugänglicher wären, aber vielleicht hole ich dazu einfach mal was nach hier die nächsten Monate. Würde euch das interessieren?

    Ich kann diesen Teil meines Lebens jedenfalls auch von Herzen empfehlen, aber auf meinem Interrail lerne ich grade, dass es nichtmal so weit weg sein muss. Es geht beim Reisen und vor allem beim backpacken nicht ausschließlich um die Orte, sondern so viel öfter um die Menschen. 

    Ich habe in Neuseeland jedenfalls einige tolle Menschen getroffen, geliebt und gehen gelassen. Es war eine prägende Zeit für mich. Ich ließ eine Hannah hinter mir als ich nach Neuseeland ging und genauso ließ ich auch eine Hannah, die ich hier zum Teil geworden war zurück.

    Ich vermisse es oft. Dieses Land. Diese Menschen. Diese Zeit, die eine der unbeschwertesten meines Lebens war. Und diesen zurückgelassenen Teil von mir. Manchmal spüre ich ihn wieder aufflammen, wenn er es dann durch den Druck von Abgaben, Klausuren und anderen Leistungen schafft. Vor allem auf Reisen komm ich diesem freien Teil von mir näher. Weil oder obwohl ich da durchgängig auf dem Weg bin, den ich für mich noch nicht genauer definieren konnte. 


    Strecke 3: 2019-2021

    Diese Strecke fasse ich etwas kürzer zusammen. Sicherlich wissen wir alle warum. Durch Corona musste ich also Neuseeland etwas früher verlassen als geplant und doch bin ich so dankbar, dass ich meinen Abiball und ein Auslandsjahr in der Form erleben durfte. Das ist mehr, als einige andere die nächsten Jahre erlebten. Es schmerzt mich, dass für viele junge Menschen, die Jahre, die sonst so aufregend sind zu Jahren von Isolation wurden.

    Als ich dann zurückkam gab es jedenfalls den ersten Lockdown in Deutschland. Von absoluter Freiheit und jeden Tag mit dem Van ein Abenteuer erleben saß ich da nun in meinem alten Kinderzimmer mit Heimweh zu einem Land, dass auf der anderen Seite der Erdkugel liegt. Keine gute Kombination.

    Im Sommer fand ich zum Glück einen wundervollen Sommerjob an der Surfbox in Trassenheide. Freund*innen, Familie und am Strand arbeiten. Das war in dem Moment einfach genau das was ich brauchte, während ich dachte zu wissen wohin mein Weg ab dem Herbst führen sollte.

    Psychologie Studium in Leipzig. Davon war ich fest überzeugt und zur Hälfte behielt ich damit wohl auch Recht. Das Studienfach wurde es. Nur nicht in Leipzig, weil ich dort, zu meinem anfänglichen Schmerz – heute würde ich sagen zum Glück – nicht angenommen wurde. Eine andere Stadt mit dem gleichen Anfangsbuchstaben holte mich zu sich. Lübeck. 

    Die Anfänge des Studiums kennzeichneten sich bei mir vor allem durch meinen Laptopbildschirm, das Gefühl keine richtige Studentin zu sein und vielen einsamen Stunden. Zum Glück lernte ich bevor der nächste Lockdown im November 2020 kam meine bald engste Freundin kennen. Und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass ich ohne sie dieses Studium schon abgebrochen hätte. Aber zusammen hangelten wir uns da irgendwie durch. Lachend, weinend, wütend über dieses System, dass einem selbst mentale Probleme bereitet, weil der Notendruck und die nicht auseichenden Masterplätze nicht grade eine sichere Zukunft versprachen.

    Und schon zu Beginn des Studiums merkte ich schnell: Das ist anders als ich mir das vorgestellt hatte. Und ich kommuniziere das auch ehrlich mit anderen. Trotzdem wollte ich nicht abbrechen, weil was würde ich dann tun? Und so traurig dieser Grund auch ist, ist er bis heute der, der mich im Bachelor hält. Und diese enge Freundin von der ich erzählt habe. Ohne sie wäre das Ganze ein Trauerspiel gewesen. Mit ihr konnten wir wenigstens gemeinsam drüber lachen. Galgenhumor oder so.


    Strecke 4: 2021 – 2022

    Seit das Studium begonnen hat oder seitdem Corona unser aller Leben verändert hat, ist die Zeit nur so verflogen. Vielleicht ist es auch eine Kombination aus beiden Gründen. Ich erinnere mich noch gut, dass es eine Zeit gab, in der aus meiner damaligen Sicht nur alte Leute so etwas gesagt haben. „Genieß die Zeit.“ Oder „Es geht so schnell vorbei.“ Und jetzt höre ich diese Sätze zu oft aus meinem eigenen Mund. Dabei bin ich gefühlt noch weit entfernt von Alt und vom Erwachsen sein eigentlich auch. 

    Ich bin also immer noch auf dem Weg und ehrlich gesagt fühlt es sich an als säße ich in einem Zug, bei dem ich das Ziel nicht kenne. Ich kann nur herausschauen, die Fahrt genießen und eben öfter mal aussteigen, wenn es mir gefällt. Der nächste Zug wird dann sicher auch folgen, wenn es doch nicht so toll ist oder ich einfach weiter möchte. Man muss nur mutig genug sein, um wieder einzusteigen oder überhaupt auszusteigen.


    Strecke 5: Jetzt

    Während ich die letzten Zeilen, dieses „kleinen“ Lifeupdates tippe sitze ich wieder im Zug. Während meines Interrails ist das der Ort, an dem ich die meiste Arbeit erledige, damit ich an den Stopps coolere Sachen machen kann. Das klingt jetzt als wäre ich in den Zügen immer super produktiv, aber das stimmt so auch nicht, weil das Internet oft nicht gut ist und ich auch einfach müde. Ich habe also schon öfter in Zügen geschlafen, als das ich etwas für die Uni gemacht habe. Das ist etwas was mich momentan auch etwas belastet. Aber ich weiß, dass sich ein Weg finden wird und es kommt bei mir so oft anders als geplant und doch meistens gut. Natürlich passiert das auch durch meine Privilegien, derer ich mir bewusst bin. Ich bin einfach unfassbar dankbar für die Möglichkeiten, die sich mir bisher so geboten haben und versuche wo es geht zu teilen und nicht alles nur für mich alleine zu nutzen. 

    Und ich versuche öfter wieder mutig zu sein und einfach aus- oder einzusteigen, damit das Leben nicht nur hinterm Fenster vorbeizieht.

    Vielleicht ist das ja etwas, das ich dir mit diesem Lifeupdate mitgeben darf.

    Pass auf dich auf, steig aus, wenns dir irgendwo gefällt und bis bald. <3

    Hannah